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Exposés für die Tagung: "...nur in Europaisch so ausdrüken"
1. - 3. Oktober 2004 Ort: Schloß Gnadenthal bei Kleve

Tagungsprospekt und Anmeldeformular:
(Acrobat Reader erforderlich)

 

 

Freitag, 1. Oktober 2004
18.00: Eröffnung
Dr. Barbara Hendricks MdB (Kleve): Grußwort
Dr. Ina Pfitzner (Berlin): Übersetzen im Europa der 25

Das Übersetzen war in Europa ausschlaggebend für den kulturellen und politischen Austausch, der die Literatur und Philosophie beförderte und inspirierte und ganze Kunstbewegungen auslöste. Für einige Autoren ist das Übersetzen, das Bewegen zwischen verschiedenen Sprachen, Ausgangspunkt ihres literarischen Schaffens oder das Instrument für ihre avantgardistische Innovation. Das Übersetzen führte zur Herausbildung einer europäischen Identität, die die Grundlage für den Zusammenschluß in der Europäischen Union bildet. Dennoch hat der jahrhundertelange Austausch durch das literarische Übersetzen keine wahre Einigkeit und Völkerverständigung hervorgebracht, wie erbitterte Auseinandersetzungen und Kriege zeigten. Ein (mehr oder weniger) friedliches Europa gibt es erst seit der Zeit nach dem 2. Weltkrieg, als mit den Nürnberger Prozessen das Übersetzen in seiner mündlichen und zeitgleichen Form aufkam und anschließend an Bedeutung gewann. Das Simultandolmetschen ermöglichte es, daß die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden konnten und können wurde zur Grundlage für politische Beziehungen. Das Übersetzen erhielt eine politische Funktion.
So ist auch nur folgerichtig, daß das Übersetzen auch Instrument der Europäischen Union ist, in der alle offiziellen Sprachen der Mitgliedstaaten auch Amtssprachen sind. Dies bedeutet, daß alle Dokumente, Protokolle, Verträge, Parlamentsdebatten in alle Sprachen der EU übersetzt werden. Dies bedeutet auch, daß jeder Bürger der Europäischen Union eine Anfrage in seiner Landessprache stellen kann und auch die Antwort in seiner Sprache erhält. Auf diese Weise hat sich eine regelrechte Übersetzungsindustrie innerhalb der EU entwickelt, die sich aus Festangestellten und freiberuflichen Übersetzern in den verschiedenen Länder zusammensetzt. Dieser riesige Apparat funktioniert, wenn auch schwerfällig, uneffektiv und kostenaufwändig.
Derzeit wird in der EU mit zwölf Sprachen hantiert; mit dem Beitritt von zehn neuen Ländern im Jahr 2004 werden neun neue Amtssprachen hinzugefügt werden, darunter Maltesisch mit ca. 350.000 Sprechern. Dies wird den Aufwand um ein Vielfaches vergrößern (wo findet man qualifizierte Slowenisch-Finnisch-Übersetzer?) und möglicherweise die Funktionsweise der EU erheblich beeinträchtigen.
Intellektuelle, Politiker, Sprachpuristen, Laien haben Theorien und Spekulationen dazu geäußert, wie dieses Sprachgewirr in den Verwaltungen der Europäischen Union gelöst werden kann und wird. Wie kann die EU die unterschiedlichen Kulturen und Traditionen, die ihren Ausdruck in den Sprachen finden, unter einem Dach vereinen? Droht die EU in einem Turm von Dokumenten (ähnlich dem von Babel) zu ersticken? Und was bedeutet der gigantische Apparat für den einzelnen Bürger in den Ländern? Wird die Identifikation mit der EU weiterhin möglich sein?
Vor dem Hintergrund der Geschichte möchte ich eine Bestandsaufnahme über die Rolle und Funktion des Übersetzens präsentieren, die am Beispiel der EU allgemeine Entwicklungen aufzeigt. Der Vortrag soll eine Fortsetzung zu meinem (im Druck befindlichen) Artikel “Happy Babel. Translation in Europe.” sein, aus dem ich hier den Epilog zitiere:
"In the fall of 2001 a new French translation of the Bible was published in Paris.40 It is the result of the work of six years and of fifty poets, Bible scholars, writers and exegetes. La Bible Nouvelle re-enacts a protestant gesture that eluded France before and prevented it from having it its own seminal, authoritative Bible. Still, it may never become what Martin Luther’s version has been for the Germans, or what the King James Bible is for the Anglophone world. After all the French had other and earlier works that galvanized their literature and identity the way Bible translations did in some countries. Yet this replicated act of liberation and assertion, this enormous collective effort not only makes a stand for translation in French culture. Once more it puts into focus this Ur-text that has shaped the languages, cultures and politics of the Occident, of Europe, in different versions. The timing of the project curiously coincides with the introduction of the new currency within the EU. It counterbalances the materialistic nature of the euro. The concurrence of the new French Bible and of the euro is a reminder that translation must operate on two levels: as a persuasive, subtle and intellectual connector of cultures but also a political and judicial tool. In the European Union today translation is no longer only the pastime of a few intellectuals; it is a decreed instrument, a tradition made political imperative. While literary translation and technical translation are regarded as disparate in nature, it is precisely in the convergence of literature and politics, in the double and joint effort in all domains that translation can fulfill its mission. Happy Babel? For the moment: yes, indeed. Pour l’instant, oui, en effet. Im Moment jedenfalls: Ja, unbedingt."
19.00: I. Literatur im Salon - Salon in der Literatur. Moderation: Kornelia Löhrer (Köln)
Christiane Nägler (Eltville): Rom, Paris, Florenz: Salonnièren aus Deutschland und ihre Präsenz in Europa
Dr. Mirjam Haller (Köln): Die Versuche und Hindernisse Karls von Varnhagen, Neumann, Bernhardi und de la Motte Fouqué. Ein Konzept kollektiver Autorschaft um 1800
Dr. Katarzyna Grzywka (Warszawa, Polen): "Ich war einmal Thor genug, Gesellschaft zu suchen..." Zum literarischen Bild der Salonpraxis in der Komödie Die Theegesellschaft von Ludwig Tieck und in der satirischen Skizze Salon literacki von August Wilkonski
Samstag, 2. Oktober 2004
9.00: II. Goethes "Weltkulturerbe". Moderation: Christian Liedtke (Köln)
Prof. Dr. Klaus F. Gille (Amsterdam, Niederlande): "Wie die Erde in der alten Welt überall schon in Besitz genommen sey" - Varnhagen und Goethes Wanderjahre
DDr. Claudia Schweizer (Wien, Österreich): Ein Gemeinschaftsaufsatz von J.W. v. Goethe und Karl August Varnhagen von Ense: Die Rezension zur Monatschrift der Gesellschaft des Vaterländischen Museums in Böhmen (1830)
Holger-Falk Trübenbach (Berlin): Goethe, Novalis und Varnhagen - Theoreme und Inhalte ihrer Übersetzungsarbeit
Beate Weber (Berlin): "...die Welt einer neuen westländisch angehauchten Poesie" - Mori Ôgai als Sprachschöpfer und Vermittler europäischer Kultur in Japan
12.00: III. Deutsches - Jüdisches - Europäisches. Moderation: Angelika Mensching-Oppenheimer (Hamburg)
Prof. Dr. Marjanne E. Goozé (Athens, Georgia, USA): Europäische Aufklärung ins Preußische übersetzt: Wilhelm von Humboldt und die Judenemanzipation
Dr. Gerlinde Röder-Bolton (Guildford, U. K.): Goethe, Kleist und Heine - der kulturelle Austausch mit Marian Evans (George Eliot) und George Henry Lewes
15.00: IV. Deutsch-französische Zustände. Moderation: Karin Laakes (Bocholt)
Prof. Dr. Ursula Isselstein (Turin, Italien): Rahels "Vorvolk". Rezeption und Vermittlung der französischen Kultur durch Rahel Levin und Karl August Varnhagen
Hannah Lotte Lund (Potsdam): "Tout le Monde auf Ihrem Sopha". Die Rezeption französischer Salons und französischer Salonnièren im Varnhagenschen Kreis
Christian Liedtke (Köln): "...auf der Spitze der Welt": Heines Briefe aus Paris
Paolo Ferruta (Rom, Italien): Les deux monde von Gustave d'Eichthal und seine Beziehungen zu Rahel und Karl August Varnhagen: ein deutsch-französischer transfer culturel in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts
18.00: V. Nationalliteratur und Weltbürgertum. Moderation: Dr. Elke Wenzel (Bergisch Gladbach).
Ulf Jacob (Berlin): Fürst Pückler und der "liebliche Traum der St. Simonisten". Ein Versuch über Identität, Wissen und Landschaft
Dr. Nikolaus Gatter (Köln): "...wird es Ihnen einen europaischen
Reputazion Haß geben." Die Briefe von Alexander von Humboldt an Varnhagen von Ense (1860) und ihre internationale Wirkung.
Dr. Christina Ujma (Loughborough, U. K.): Ludmilla Assing, das Risorgimento und die Deutschen

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