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Zum Tod von Carola Stern
 

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Erinnerungsartikel

geboren 14. November 1925     gestorben 19. Januar 2006

Der Text ihres Herzens ist verstummt:


Wir trauern um Carola Stern

"Kurze Worte sollen gebraucht werden; jeder mit seinen Gedanken kämpfen,
und sich mit denen und durch sie versöhnen."
Rahel Varnhagen (GW III, 584)


Unsere Schirmherrin, deren Auftritt im Abendgymnasium Hagen bei der Rahel-Varnhagen - Ausstellung 1995 zwei Jahre später den Anstoß zur Gründung der Varnhagen-Gesellschaft gab, lebt nicht mehr. Wie in der Presse mitgeteilt wird, erlag sie vorige Nacht einer kurzen Erkrankung.
Ihre humanistische Einstellung und eine kompromißlose Ehrlichkeit mit sich selbst haben ihre journalistische Arbeit geprägt; in ihren literarischen Arbeiten zu Dorothea Schlegel, Johanna Schopenhauer und Rahel Varnhagen ("Der Text meines Herzens", 1994) setzte sie sich kritisch mit ihren Vorbildern und Wunschschwestern auseinander. Ihr letztes Buch widmete sie dem Schauspielerpaar Marianne Hoppe und Gustav Gründgens.

Erika Assmus war 1925 in Ahlbeck auf Usedom zur Welt gekommen.
Ihr Vater verstarb wenige Wochen vor ihrer Geburt. Die elterliche Pension bewirtete bis in die 1930er Jahre hinein auch jüdische Gäste, doch wurde Carola Sterns Mutter 1933 Leiterin der Reichsfrauenschaft und ihre Tochter führte selbstverständlich eine BDM-Jungmädelgruppe. Daß sie selbst diese Vergangenheit nicht verschwieg, sondern in ihrer Autobiographie offenlegte ("In den Netzen der Erinnerung", 1986), verschaffte ihr nicht nur Freunde: "Manchmal habe ich den Eindruck, es habe in Deutschland nur zwei Nazis gegeben", äußerte sie nach vielen öffentlichen Diskussionen, "der eine war Adolf und der andere ich."
In der DDR arbeitet die begabte junge Frau bei einer russischen Raketenversuchsanstalt und stieg zur Dozentin an der Parteihochschule Kleinmachnow auf.
Ein zweites Mal schockierte sie 2001 die Öffentlichkeit mit der Enthüllung, daß sie in dieser Zeit auch als CIA-Agentin tätig war. 1951 ging sie in den Westen, schrieb über die SED und Walter Ulbricht und heiratete 1968 den NS-Überlebenden und einstigen Kommunisten Heinz Zöger, der 1957 im Schauprozeß gegen den Leiter des Aufbau-Verlages Walter Janka verurteilt und nach zwei Jahren Haft in den Westen geflüchtet war. Carola Stern übernahm im Verlag Kiepenheuer & Witsch das politische Lektorat und hat die deutsche Sektion von Amnesty International mitgegründet. Später ging sie zum WDR und war als kritische Kommentatorin in Rundfunk und Fernsehen eine Verfechterin der Ostpolitik Willy Brandts und der Frauenemanzipation. Mit Heinrich Böll und Günter Grass setzte sie sich für Dissidenten hinter dem Eisernen Vorhang ein.

Der Varnhagen Gesellschaft hatte Carola Stern noch vor kurzem zugesagt, eine für den Herbst 2006 in Berlin geplante Ausstellung durch ihre Lesung aus "Der Text meines Herzens" zu eröffnen. Kurz vor ihrer Herzoperation ließ sie uns noch vom Krankenbett durch eine Freundin telefonisch Grüße bestellen und schrieb kurz darauf (7.12.):
"Lieber Nikolaus Gatter, die Schirmherrin liegt im Krankenhaus und japst. Ich bedanke mich sehr herzlich für all das Material, das Sie mir zu meinem Geburtstag geschickt haben, besonders auch für die Gründgens-Unterlagen.
Ich könnte nach dem augenblicklichen Stand der Dinge jederzeit zwischem dem 30. September und dem 15. Oktober, wäre jedoch dankbar, wenn ich bald das genaue Datum erfahren könnte. Es wäre schön, von den Rahel-Freunden und -Freundinnen zu lesen. Herzlich, Ihre Carola Stern kurz vor der Entlassung."

Und in ihrem letzten Schreiben vom 16. 12. heißt es:
"Ich habe den 3. und 4. Oktober für die Varnhagen-Gesellschaft frei gehalten und freue mich sehr, Sie und alle Rahel-Freunde wieder zu sehen."

Statt dessen nahm sie nun vorzeitig Abschied von uns. Wir werden ihr Andenken bewahren.

 

 

 

25.01.2006

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