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Vor 150 Jahren starb in Genf die Schriftstellerin Helmina
von Chézy, geboren am 26. Januar 1763, Wilhelmine Christiane
von Klencke, Enkelin der "schlesischen Sappho" Anna
Luisa Karsch (1722-1791). Als Siebenjähirge versuchte
sie sich mit Charakterschilderungen ihrer Mitmenschen; mit
dreizehn verfaßte sie ihre erste Novelle, später
zahlreiche weitere, dazu Gedichte, Feuilletons, Reiseberichte,
Romanzen und 1823 das Libretto der Oper Euryanthe von
Carl Maria von Weber. Mit 16 wurde sie an den Baron von Hastfer
verheiratet; diese Ehe scheiterte ebenso wie eine zweite mit
dem Orientalisten Antoine-Léonard de Chézy.
1801 war sie auf Einladung der Madame de Genlis erstmals nach
Paris gekommen, wo sie u. a. Madame Récamier, das Ehepaar
Dorothea und Friedrich Schlegel und die Brüder Boisserée
kennenlernte. Für Schlegels Europa schrieb sie
Beiträge und redigierte ab 1803 für den Cotta-Verlag
die Französischen Miszellen. Nach ihrer Rückkehr
nach Deutschland 1810 schrieb sie in Heidelberg novellistische
und lyrische Beiträge für Zeitschriften und Almanache
der Romantik. Auch den Schriften ihrer Großmutter, der
Karschin, hat sie ein Denkmal gesetzt. Während der Freiheitskriege
leistete sie Pflegedienste in Militärlazaretten am Rhein
und protestierte gegen die schlechte Behandlung der Verwundeten.
Ab 1820 gab sie in Dresden mit Fanny Tarnow die Zeitschrift
Iduna heraus, gründete Frauenvereine und schrieb
u. a. Pamphlete über die Lage der Arbeiterinnen in den
Spinnereien des Salzkammerguts. Ihren Lebensabend hatte sie,
verarmt und in Deutschland vergessen, im schweizerischen Vevey
verbracht. Sie setzte Karl August Varnhagen, der vergebens
einen Verleger für ihre Autobiographie Unvergessenes
gesucht hatte, als Nachlaßverwalter ein, der ein Drittel
ihrer Papiere in die Sammlung Varnhagen aufnahm; den Rest
bewahrt die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
auf.
Helmina von Chézy über Rahel Varnhagen
"Eine lebhafte, aufrichtige Frömmigkeit durchdringt
alles, was von Rahel stammt; eine Frömmigkeit, die man
fröhlich und triumphierend nennen könnte. Sie hat
ihre ganz eigene Art, Gott zu lieben, und man kann sie nur
beglückwünschen, daß es ihr gelingt, Ihn ohne
Mühe, ohne Übertreibungzu verehren, vor allem durch
ihre Werke; sie spricht nur selten von Ihm, und dennoch erkennt
man, daß sie Ihn nie vergißt."
aus: Revue du Nord, September 1835, S. 116-122, zit. nach
Volker Schindler
Karl August Varnhagen über Helmina von Chézy
"Als Helferin, Aufstörerin, Vermittlerin bei Vornehmen,
hat sie große Ähnlichkeit mit Bettina von Arnim;
die Antriebe, die Erfolge, die Verdrusse, alles von derselben
Art. Sonst aber große Unähnlichkeit theils zum
Vortheil Bettina's, theils zum großen Vortheil Helmina's."
Tagesblätter vom 24.12. 1855
Literaturhinweise:
Ein umfassendes Porträt lieferte Irina Hundt unter
dem Titel "Wäre ich besonnen, wäre ich nicht
Helmina." in: Autorinnen des Vormärz.
Jahrbuch des Forums Vormärz Forschung 1996. Bielefeld:
Aisthesis 1997, S. 43-79. Gemeinsam mit Lorely French
gab sie im Internationalen Jahrbuch der Bettina-von-Arnim-Gesellschaft
6-7 (1994-95), S. 15-32, das Chézy-Manuskript Die
Günderrode an Bettina von 1844 heraus.
Über das Verhältnis Helmina von Chézys zu
Rahel Varnhagen schrieb Volker Schindler: Eine "Sévigné
prussienne"? Französische Echos auf Rahel Varnhagens
Briefwechsel. In Irina Hundt (Hg.): Vom Salon zur Barrikade.
Frauen der Heinezeit. Stuttgart: J. B. Metzler 2002, S. 17-46.
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